Zaman hat geschrieben:Darf man so etwas als "Ausrede" benutzen?
die "ausrede" wird den leuten doch in den mund gelegt, indem eine argumentation, die kritikern nicht in den kram passt, zur ausrede erklärt wird. »du willst dich doch nur rausreden«. kinderquatsch. es gibt keine ausrede, sehr wohl aber eine stichhaltige erklärung, die sogar weitgehend anerkannt wird. daher stellt sich die frage gar nicht. trotzdem wird sie gestellt bzw. jetzt schonmal vorsorglich als erledigt thematisiert. ist doch verrückt, oder nicht?
war das gestern »rumpelfussball« oder ein taktisch überlegtes spiel? ja, da ist manches schiefgelaufen, und Per Mertesacker hatte zum ersten mal seit erfindung der ballpumpe einen wirklich schlechten tag. insgesamt war es dann halt eine mischung aus handbremse und nervosität. natürlich ist das etwas anderes als sommermärchenfussball. aber es ist fussball, und wer den nicht mag, darf genau das sagen, aber bitte kein wort mehr. rumpelfussball hat so jemand noch nie gesehen. hier kommt nunmal u.a. die eine erklärung ins spiel. wie gehe ich so ein spiel unter den gegebenen voraussetzungen an, zu denen auch der gegner zählt? die Ghanaer sind keine spassfussballer, sondern eine dermassen disziplinierte mannschaft mit individueller klasse, dass Jogi Löw sie vermutlich allesamt sofort adoptieren und mitnehmen würde. mit weitem abstand die beste afrikanische mannschaft, weil sie so überhaupt nicht afrikanisch spielen. glücklicherweise mit leichter abschlusschwäche, sonst wären sie längst ein ziemlich ungeheimer mitfavorit. wer die aus dem stadion schiessen wollte, wer das erwartet hat, der hat nicht den geringsten ansatz eines schimmers und würde nach einem blinden anrennen heute noch viel lauter daherblöken. oder bitterlich weinen aufgrund der packung, die ihm vielleicht verabreicht wurde. und wer das spiel als rumpelfussball bezeichnet und gleichzeitig angesichts der torchancen der Ghanaer über einen möglichen ausgang fabuliert, der sollte auch wissen, dass das geforderte gegenteil der gestrigen ausrichtung "ins offene messer laufen" gewesen wäre. allerdings setzt das ehrlichkeit und eine denkleistung voraus, die über sinnleeres gemotze über den trainer oder einzelne spieler, über weise vorhersagungen und unsinnige huldigungen des nächsten gegners hinausgeht. beides ist bei der masse der selbsternannten kritiker nicht vorhanden, was die sache so durchschaubar macht. deshalb auch der vergleich zu den livethreads, in denen es um Borussia geht, in denen das gleiche schauspiel wöchentlich stattfindet.
wie bekloppt muss man eigentlich sein, um nach diesem einen spiel Per Mertesacker oder einen anderen, um nach jedem spiel irgendwen herausnehmen und aufgrund dessen die komplette mannschaft auf den kopf stellen zu wollen? wie blind oder verlogen muss man sein, um erbärmlich auftretende Engländer nach zwei unentschieden und einem 1:0 gegen Slowenien in den himmel zu heben, allein mit dem zweck, bezüglich der deutschen mannschaft stunk zu machen? und wieso ist der nächste gegner vorher immer schwieriger, spätestens endstation und, wenn's trotz orakel doch klappt, im nachhinein natürlich »kein wirklicher prüfstein gewesen«, wodurch das gleiche geseier wieder von vorn beginnt? hirnloses schlechtreden. witzig, aber sturzdoof.
ich habe es nicht gesehen/gehört, aber es ist schön, wenn Oliver Kahn den unterschied zwischen ausrede und erklärung erkannt hat. vielleicht sollte man ihm zuhören. vermutlich sogar ganz sicher, wie auch Jens Lehmann oder Christoph Metzelder, denn er steckt noch nicht so tief im phrasenlabersumpf wie die ergrauten eminenzen, die ansonsten ihr tiefgreifendes wissen preiszugeben vortäuschen und tatsächlich nur genau das hohle zeug von sich geben, das auffallend häufig bereitwillig nachgeplappert wird. das wahre ausmass der skandalösen leistung Per Mertesackers habe ich zum beispiel erst heute erfahren, da ich das spiel jeweils zur hälfte bei sky und im Schweizer Fernsehen gesehen habe, wo er relativ übereinstimmend einfach nur eine teilweise unsichere leistung gezeigt hatte und sogar die so gar nicht zu ihm passende taktische aufgabe der spieleröffnung als möglicher auslöser erwähnt wurde. der deutsche gebührenzahler dagegen wusste schon gestern, wie schlimm es wirklich war, und hat es entsprechend im www und über flurfunk verbreitet. so entstehen neben einem unendlichen schatz sämtlicher komplett uninteressanter randgeschichten über jeden spieler und dessen familie, mit dem ausserhalb der moderationskärtchendruckindustrie kein mensch etwas anfangen kann, direkt vom kommentatorenplatz aus echte sündenböcke. über Arne Friedrich kreisen bis heute die geier von 2006. die wird er nicht mehr los, wie stark er auch längst spielen mag. witzig ist aus dem gleichen grund auch das nachlesen diverser liveblogs, ticker und natürlich foren. oder erschreckend. ganz, wie man mag. die tendenz, wie sehr vorgeblich persönliche einschätzungen vom blafasel des eingeschalteten senders, des jeweiligen kommentators oder der "experten" abhängen, ist definitiv erschreckend. und hier reden wir zudem im gegensatz zu einem bundesligaspiel über ein spiel, das jeder mit den gleichen bildern in voller länge sehen kann. trotzdem war bspw. Jogi Löw gestern aufgrund der auswechselung Bastian Schweinsteigers kurzzeitig vogelfrei, weil ein kommentator gerade wiedermal märchenstunde hielt und selbstverständlich Schweinsteigers verletzung verpasst hatte. komisch war diese irreführung durch einen geistig abwesenden plapperkopp letztmalig, als Rubenbauer damals statt nachspielzeit den torwart auswechseln wollte.
aber ich schweife irgendwie ab. ist wohl ansteckend. Oliver Kahn: ja, welche erfahrenen spieler meint er denn? das problem ist doch das fehlen der erfahrenen spieler, die diese erfahrungen, am besten sogar situationsabhängig während eines spiels, weitergeben bzw. übertragen können. ich werfe mal Michael Ballack ein. natürlich sind Arne Friedrich, Per Mertesacker, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose und Lukas Podolski erfahrene spieler. und die anderen haben gestern auch wieder was dazu gelernt. wenn einer von ihnen allerdings in irgendeiner form ein lenker oder lautsprecher ist, dann war Dietmar Hamann ungefähr Günther Netzer bei Rock am Ring. ich hoffe es nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass es während der WM noch andere situationen geben kann, in denen sich im genau gleichen zusammenhang die frage stellt, wie die mannschaft denn nun wohl mit diesem neuerlichen driss zurecht kommt. die thematik schwebt nunmal über dem gesamten turnier. der einstieg ist abgehakt, ein platzverweis ist abgehakt, bitte nicht frühzeitig ausscheiden ist abgehakt. und auch drei grundsätzlich unterschiedliche taktische entgegnungen sind abgehakt. jetzt aber kommt schon wieder etwas neues: ein (mit wenigen abstrichen) starensemble, das mannschaftlich irgendwo jenseits von gut und böse ist. ehrfurcht oder nicht? wie sieht das mannschaftliche selbstbewusstsein unserer truppe aus? rein taktisch kann man den gegner auf die WM bezogen jetzt einfach mal mit Australien vergleichen, nur eben mit einer ganz anderen dimension schmackes dahinter. England dürfte am sonntag unter umständen fussball spielen wollen, nicht zuschauen. entsprechend bewegt sich das risiko einer offensiven spielweise dann halt auch auf einer anderen ebene, denn bei denen geht im gegensatz zu den Australiern eben immer was. nochmal Oliver Kahn: »eier, wir brauchen eier«. wäre also wieder etwas zum abhaken: hat unsere mannschaft die eier, gegen einen gegner wie England so aufzutreten wie im ersten spiel? denn dieser mut bzw. das selbstbewusstsein gehört dazu. ein mitspielender gegner allein reicht nicht. ja, und dann könnte es natürlich jetzt elfmeterschiessen geben. wer schiesst den ersten? vor vier jahren hätten sich Oliver Neuville, Michael Ballack, Torsten Frings und Tim Borowski glatt darum schlagen können. ...aber wer schiesst eigentlich heute die anderen vier? da stellen sich schon noch ein paar fragen, ganz ohne "ausrede" zu sein, denn klar ist eigentlich nur, dass Philipp Lahm den pokal entgegennimmt.
@Fresene: nochmal lesen oder lassen!